Bericht und Kommentar ueber TransTec-Gutachten
Die nachfolgenden Artikel sind aus dem Online-Archiv der
Nordseezeitung Bremerhaven.
Da es eine Weile dauert, bis man sich dorthin navigiert und durchgesucht hat
(und auch die Originalformatierung der Druckausgabe verloren geht),
hier die Kopie dieser zwei Beiträge:
Ausgabe: 15.12.00 Ressort: Bremerhaven
Straßenbahn ausgebremst
Gutachten vorgestellt - Experten durften über Trasse durch
"Bürger" nicht nachdenken
"Das vergessen Sie mal schnell wieder", war den
Verkehrsexperten beim Zwischenbericht zum Straßenbahn-Gutachten zugerufen worden,
als sie die Route durch die Fußgängerzone als ideale City-Trasse priesen.
Im fertigen Bericht sind die Zwischenrufe amtlich geworden: Die "Bürger"
taucht dort nicht mehr auf.
Da andere Wegeführungen über Columbus-, Deich- oder Schleswiger Straße höchst
problematisch wären, fiel die gestern im Bauausschuss vorgestellte Machbarkeitsstudie zur
Wiedereinführung der Straßenbahn entsprechend skeptisch aus. Der Erfolg eines
Straßenbahnsystems, so die Spezialisten vom Planungsbüro Transtec, hänge stark von der
Verkehrspolitik der Stadt ab. Mangele es an der notwendigen Unterstützung, so die Gutachter,
solle man besser gleich die Finger davon lassen.
Wenn sämtliche sechs Ausbaustufen von
Leherheide bis Wulsdorf mit einer Abzweigung zum Schiffdorferdamm realisiert würden,
kommen die Gutachter auf Investitionskosten von 530 bis 540 Millionen Mark. Darin enthalten
wären die Anschaffung der Wagen (pro Stück 3,2 Millionen) und der Bau eines Betriebshofes
(28 Millionen).
60 Prozent der Kosten würden vom Bund getragen. Doch der verbleibende Rest
sei immer noch zu hoch, um allein von der Stadt aufgebracht zu werden. Deswegen müsse nach
Möglichkeiten gesucht werden, auch das Land Bremen an der Finanzierung zu beteiligen. Wie
in anderen Bundesländern schon geschehen, könnten so 85 Prozent der Investitionskosten für
Strecken durch Zuschüsse abgedeckt werden.
Für die Wiedereinführung der Bahn sprechen
nach Auffassung der Transtec-Gutachter die Erwartung höherer Fahrgastzahlen und die
Stärkung der oberzentralen Funktion. Von ihrer Struktur her sei die Stadt bestens für eine
Erschließung auf der Schiene geeignet.
Als Risiken werden die massiven Fahrgastverluste der
vergangenen Jahre, der Einwohnerschwund und die wenig optimale Trassenführung in der
Innenstadt angeführt. "Auf Grund der Vorgaben des Auftraggebers wurde die
Bürgermeister-Smidt-Straße nicht in die Trassenuntersuchung einbezogen", stellt Gutachter
Rainer Johannsmeier fest. Eine Führung durch die Grazer und die Schleswiger Straße sei
möglich, wird aber insgesamt als problematisch bewertet. Hinweise auf den "baulichen
Aufwand" und auf "erhebliche Eingriffe" zielen wohl auf das Problem,
wie auf dieser Route die
Große Kirche umkurvt werden soll. Bis zum Frühjahr wollen die Bauausschussmitglieder
darüber eine "offene und unvoreingenommene" Diskussion führen.
Dann soll ein Beschluss fallen. rad
Ausgabe: 16.12.00 Ressort: Bremerhaven
Nachgehakt: Bahngutachten
Guten Willen geheuchelt
Satte 140 000 Mark in den Sand gesetzt.
Diesen Vorwurf müssen sich die Politiker gefallen lassen, die das am Donnerstag im
Bauausschuss vorgestellte Gutachten zur Wiedereinführung der Straßenbahn vor über einem
Jahr in Auftrag gegeben haben. Zu diesem Zeitpunkt waren die Koalitionsverhandlungen
zwischen SPD und CDU zwar noch nicht abgeschlossen, der Beschluss, den öffentlichen
Personenverkehr weitgehend aus der Fußgängerzone zu verbannen, aber bereits abzusehen und
das Comeback der Elektrischen de facto begraben.
Endgültig zur Farce wurde die Studie dann
mit dem offiziellen Denkverbot, das den Gutachtern nach ihrem Zwischenbericht im Mai
verordnet worden war. Es spiele keine Rolle, ob die "Bürger" die ideale Trasse zur
City-Erschließung ist, machten die Koalitionäre den Fachleuten klar: Diese Diskussion sei
gelaufen.
Da weder die Columbusstraße noch die Deichstraße aus der Sicht der Spezialisten
als Alternativstrecken für die Straßenbahn in Frage kommen, musste nach einer Trasse
gesucht werden, an die bis dahin noch niemand gedacht hatte. Sie taucht im Schlussgutachten
nun in Form der "Achse Grazer Straße/Schleswiger Straße" auf.
Die Linienführung hat (neben
vielen anderen) allerdings einen großen Nachteil: Die Große Kirche steht im Weg.
Dass SPD und CDU angesichts dieser Sachlage noch "offen und vorurteilsfrei",
wie sie beteuern, bis zum
Frühjahr über das Gutachten diskutieren wollen, können sie jemandem erzählen, der sich die
Hosen mit der Kneifzange anzieht. Was denn? Die Kirche untertunneln? Den Altar zur
Haltestelle machen? Mit großen Straßenbahnzügen durch Grazer-, Mühlen-, Prager-,
Kirchen- und Schleswiger Straße Slalom fahren? All das ist absurd, und das wissen sie auch.
Absurd wäre es vielleicht auch gewesen, den Innenstadtumbau ein, zwei Jahre zu stoppen, um
erneut grundsätzlich darüber nachzudenken. Doch wenn man das nicht will, dann darf man
solch ein Gutachten erst gar nicht in Auftrag geben. Um guten Willen zu heucheln, sind 140
000 Mark ein zu hoher Preis. Rainer Donsbach
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