Die Kaiserstraße erfüllt in Karlsruhe schon seit deutlich über 100 Jahre eine zentrale Handelsfunktion für Karlsruhe und das Umland. Fußgängerzone ist sie aber erst seit gut 20 Jahren. Vorher war sie stets auch Hauptachse des Individualverkehrs, vom Fuhrwerk über das Rad bis zum Auto, für Bahnen ist sie immer noch Hauptverkehrsachse. Eine intensive Handelsfunktion ist stets mit einem hohen Verkehrsaufkommen verbunden. Verkehrsachse und Handel sind von daher nicht von vorneherein ein Widerspruch, es stellt sich lediglich die Frage nach der Stärke des Verkehrs. Autoachse UND Bahnachse zusammen hat sich nicht bewährt, nach dem der Autoverkehr ins Unendliche wuchs, deswegen nahm man den Autoverkehr raus.
Es stellt sich auch die Frage, wieviel Platz die Fußgänger brauchen, damit die Kaiserstraße ihre Funktion als Handelszentrum erfüllen kann. Man betrachte sich die Postgalerie und die Breite der Wege darin. Sie sind schmal. Ähnlich sieht es in anderen Malls, Passagen und Fußgängerzonen aus. Nirgends sind sie so breit, dass man sich als Fußgänger verliert. Zum Beispiel die Königsstraße in Stuttgart: Nach Rausnahme der Bahnen dort wurde sie künstlich durch Einbauten wie Kioske verengt. Niemand sollte ernsthaft glauben, dass es in Karlsruhe anders kommt und der Fußgänger den freiwerdenden Platz zum Bummeln bekommt, denn das wäre kontraproduktiv: Er würde zu weit weg von den Geschäften bummeln. Und es gäbe kein Gedrängel mehr vor den Läden. Wo es ein Gedrängel gibt, gibt es offenbar nichts Interessantes. Die Händler würden dem Fußgänger also zwangsläufig mit ihrer Ware auf die Pelle rücken, damit er sich nicht dran vorbei schummeln kann und damit Gedrängel um die Waren Interessantes verheißt. Aber müssen die Geschäfte unbedingt außerhalb ihrer Räume Handel treiben? Eigentlich sind die Bereiche zwischen Gleisen und Läden in der Kaiserstraße jetzt schon zu breit, verkaufspsychologisch betrachtet. Der Idealzustand für die Verkäufer ist ein Gedrängel und Geschiebe wie auf dem Weihnachtsmarkt, nur das bringt gute Geschäfte.
Nimmt man von der Illusion einer großflächigen Fußgängerzone Abschied, dann stellt sich die Frage, ob Verkehr und Fußgänger nicht doch verträglich sind und in welchem Umfang. Autoverkehr und Handel sind es nicht, denn ein Auto muss parken und dafür reicht die Kapazität in der Kaiserstraße nie und nimmer. Autoverkehr ist am Rand in den Parkhäusern deutlich besser aufgehoben. Anders der Bahnverkehr. Nach dem Aussteigen verschwindet er wieder, kein Parkplatzproblem belastet die City. Er ist abgasfrei und vergleichsweise leise. Er stört die Passanten kaum, im Gegenteil. Ein Cafe direkt neben den Gleis ist problemlos vorstellbar, ein Cafe direkt neben einer Fahrbahn nicht. Der Bahnverkehr bringt Leben in die Innenstadt. Ein- und Aussteigende und Wartende: sehen und gesehen werden. Eines der externen Planerbüros bezeichnete die Bahn am Sonntag nicht umsonst als Wohltat. Und es bringt die Kunden punktgenau dorthin, wohin sie wollen, direkt vor den Laden, vor die Haupteingangstür und nicht in den Keller. Und auf den Weg dorthin können sie schon einen "Geschäftsbummel" machen, die Auslagen von der Bahn aus betrachten, Ideen für einen Einkauf sammeln, mit dem Auto praktisch unmöglich, ebenso unmöglich von der U-Strab aus.
Bahnverkehr ist absolut innenstadtverträglich. Es geht lediglich um die Frage des Umfangs, aber dies ist Aufgabe einer anderen Arbeitsgruppe. Es wäre ein großer Fehler, das stadtverträglichste und leistungsfähigste Verkehrsmittel von der direktesten Art der Anbindung an das Handelszentrum abzukoppeln und als unerwünscht in den Keller zu verbannen. Karlsruhe verlöre seinen wichtigsten regionalen Standortvorteil.
Ich stelle die These auf, dass der heute den Fußgängern zur Verfügung stehende Platz aus verkaufspsychologischer und funktioneller Sicht genau richtig ist und auch keinesfalls größer werden darf.
Passagen enden in Karlsruhe oft im Nichts. Eine kleine Ecke im Norden am Zirkel wurde zwischenzeitig aufgewertet. Wie steht es mit anderen Ecken, z.B. im Verlauf der Kaiserpassage mit den Läden in der Akademiestraße als Endpunkt? Verknüpfung dieser Richtung Zirkel? Welche Perspektiven bestehen bzgl. östlicher Kaiserstraße nach ECE?
Schon oft diskutiert, aber noch nicht in Lösungen umgesetzt: Das Transportproblem für Kunden, die nicht mit dem Auto kommen (oder auch mit dem Auto, denen der Weg zum Parkhaus aber zu weit ist). Hier sollte nach Lösungen gesucht werden, die der Karlsruher City einen Standortvorteil geben. Ideen dazu: Gemeinsamer Lieferservice zu kundenfreunlichen Zeiten. Schließfächer für eine spätere Abholung auch nach Geschäftsschluss an den Läden oder am Rand der City, von den Kunden oder den Läden bestückbar oder gar in den Stadtteilen oder am Stadtrand. Verleih von Anhängern für Auto und Rad oder von "Sackkarren" bzw. anderen Transporthilfen, mit denen man Transportgut in die Bahn mitnehmen kann, was durch die immer verbreiteteren Niederflurbahnen deutlich erleichtert wird, bzw. daheim von der Haltestelle zur Wohnung transportieren kann. Rückgabe von Anhängern und Transporthilfen dezentral kundennah. Verleih von Transporträdern oder Rädern allgemein analog zu Call-a-Bike in München, Kooperation mit Carsharing. Mobilitätszentrale. Kooperation mit UPS, Post AG, Fahrradkurieren, Fahrrad-Pizzadienst (deren Transportkorb dürfte einkaufstaschengroß sein), ... Oder im Zusammenhang mit obigem Vorschlag eines gemeinsamen Infoangebotes: Bestell- und Bringservice übers Netz.
Weitere Denkanstöße aus meinen Anregungen zu öffentlichen Räumen, die auch für das Thema Einkaufen und Karlsruher Standortvorteile diesbezüglich relevant sind:
Potentiale öffentlicher Räume allgemein